Was man nicht kennt, kann man nicht schützen...

Heute kommt der Bericht von meiner Schwester, die mich eine gute Woche besucht hat. 

Was man nicht kennt, kann man nicht schützen.

Am Freitag, 27.10.2017, bin ich mit einem vollgepackten Auto nach Meldorf gefahren. Die Fahrt klappt erstaunlicherweise ganz gut, kein Verkehr oder sonstige Abweichungen von der Regel. Vom Ruhrgebiet aus habe ich 4h25min gebraucht. Am Wattwurm angelangt, keine Menschenseele. Kein Daniel, keine Jelisa. Niemand. Nanu? Angemeldet war ich ja. Auch verlief mein Klingeln und Anrufen im Sande. 
Der Wattwurm


Irgendwann bekam ich Daniel dann doch ans Handy, er sei auf dem Rückweg, würde aber noch ein paar Minuten dauern. Also sah ich mich erst mal in Ruhe um und ließ mir die leichte Brise um die Nase wehen.
Schon bald darauf kamen Daniel und Jelisa und ich konnte den Wattwurm kennenlernen.
Am Nachmittag gab’s dann die erste Veranstaltung für mich- eine Orni. Also eine ornithologische Führung durchs Kronenloch. Gesehen haben wir Silberreiher, Haubentaucher, Lachmöwen, Wanderfalke, Zaunkönig und andere Singvögel. Während der Führung stellten wir fest, dass mal wieder Vandalen unterwegs waren und in einer Beobachtungshütte gewütet haben. Sehr ärgerlich. Denn zu Jahresanfang wurde die Beobachtungshütte im WöLo durch Brandstiftung zerstört.
Blick auf das Kronenloch

Silberreiher über dem Kronenloch

Kronenloch mit Hide

Während der Führung wurde der Wind stärker. Orkan Herwart war für das Wochenende angekündigt. Dadurch veränderten sich auch unsere Pläne. Eigentlich sollte Samstagmorgen eine Gänsezählung stattfinden. Aufgrund des immer stärker werdenden Windes wurde diese auf Montag verschoben. Daher wurde erst mal eine Runde Bürokram erledigt, denn an diesem Wochenende endet die diesjährige Saison des Wattwurms. Das heißt, es finden bis April keine öffentlichen Führungen mehr statt und auch die Ausstellung geht in Winterruhe. So mussten einige Statistiken angefertigt werden, welche Führung war beliebt, welche weniger,…
Am Nachmittag ging es dann zum Wöhrdener Loch. Dort gibt es Konik-Pferde zu sehen. Doch leider hatten sie sich sehr weit zurückgezogen, so dass man sie mit dem bloßen Auge nur schwer erkennen konnte. Durch das Spektiv konnte man sie doch ganz gut erkennen. Leider fing es während des Vortrags immer mehr an zu regnen und zu stürmen, so dass wir in den Wattwurm gefahren sind, um dort im Trockenen dem Vortrag zu lauschen.
Konik-Pferde im Hintergrund, im Vordergrund Brandgänse und Graugänse im WöLo

Konik-Pferde im WöLo


Abends waren Daniel und ich dann bei ein paar Windstärken am Deich und am Hafen. Der Regen peitschte uns waagerecht ins Gesicht. Es sollte eine sehr stürmische Nacht werden.
Nachts um drei wurde ich wach. Der Wattwurm wackelte und pfiff gewaltig. Da war Herwart mit all seiner Kraft. Angekündigt hatte er sich den ganzen Abend über. Am Sonntagmorgen dann erst mal ein Kontrollgang. Welche Schäden gibt es? Zum Glück sind nur ein paar Sanddornsträucher umgeknickt. Ansonsten gab es keine größeren Schäden.
Dann ging es weiter zum Deich. Die Schafe waren noch da, sahen etwas zerzaust aus. Anhand des Spülsaums konnte man erkennen, wie weit das Meer diese Nacht über die Ufer getreten ist. Gut 1/3 des Deichs standen unter Wasser. Zu dem Zeitpunkt, als wir am Strand waren, war eigentlich Ebbe. Doch der Wind drückte das Wasser so ans Ufer, dass vom Watt nichts zu sehen war. Stattdessen haben wir einen für Meldorf eher seltenen Gast entdeckt. Ein Seehund beobachte uns aus dem Wasser heraus, tauchte mal unter, streckte seine Nase in den Wind und planschte vor sich hin.
Deichmodels

Deichmodels



Seehund

Seehund

Kronenloch

Am Montag haben wir dann einen Marathon veranstaltet. Die Gänsezählung, die am Samstag aufgrund des Sturms ausgefallen ist, musste nachgeholt werden. So sind wir bei strahlendem Sonnenschein morgens um 8h mit den Rädern los um am Wöhrdener Loch die Gänse zu zählen. Aber nicht nur Gänse bekamen wir dort zu Gesicht, auch 4 Seeadler und die Konik-Pferde. Nonnen- und Graugänse, Brandgänse (die aber gar keine richtige Gans ist, sondern eine Halbgans) und andere Vögel sammelten sich auf den weitläufigen Wiesen und unterhielten sich lautstark. Auch auf dem Watt war jede Menge los.
Nonnengänse

Nonnengänse

Blick Richtung Hafen

Blick in Richtung Friedrichskoog




Blick in Richtung Büsum

Nonnen- und Graugänse

WöLo mit Bewohnern

Die vielen dunklen Punkte sind Gänse und andere Vögel


Nonnengänse
Schafe und 2 Seeadler durchs Spektiv

Konik-Pferde im WöLo

Nach der Gänsezählung ging es mit dem Auto weiter. Wir besuchten weitere Nationalparkstationen. Zuerst ging es zu dem weltweit am zweitmeisten fotografierten Seezeichen, dem Leuchtturm von Westerhever. Vom Parkplatz muss man gut 2km zu Fuß laufen, denn der Leuchtturm liegt vor dem Deich. Besucherscharen kamen uns entgegen. Kurz vor dem Ziel fing es dann an zu regnen, zum Glück nur von kurzer Dauer. Am Leuchtturm angekommen, haben wir Daniels Kollegen gesucht, gut, wenn man jemanden kennt, der einem besondere Plätze zeigt, zu denen die übrigen Besucher keinen Zutritt haben: Das Dach der Ausstellung. Von anderen Besuchern wurde man doch sehr komisch angeschaut. Was machen die denn da oben? Aber wir hatten ja die Erlaubnis und wurden mit einem sehr tollen Ausblick belohnt, da zwischenzeitlich die Sonne auch wieder rausgekommen ist.
Leuchtturm Westerhever












Von Westerhever ging es weiter nach SPO, oder auch Sankt-Peter-Ordning genannt. Dort erwartete uns eine sehr moderne Ausstellung, mit viel Technik, verschiedenen Aquarien und Infotafeln. In SPO waren auch wieder sehr viele Menschen unterwegs. Dies lag sicherlich nicht nur am Brückentag. In SPO waren wir dann auch ein Runde shoppen. Zum bekannten Strand sind wir dann nicht mehr gegangen, denn dort hätte man Eintritt zahlen müssen. Dies hätte sich für uns aber heute nicht gelohnt, denn wir wollten noch weiter. Also ging es ab nach Büsum. Dort erwartete uns eine tolle Lichtinstallation am Rathaus, denn mittlerweile war es schon dunkel…um 16:45h. 
Rathaus Büsum
Daher schauten wir uns Büsum bei „Nacht“ an und stellten schnell fest, dass wir beide den Altersdurchschnitt senken. Büsum ist bei älteren Menschen sehr beliebt. Vom Deich aus haben wir uns noch verschiedene Seezeichen angesehen, die man bei Dunkelheit gut erkennen kann.
Abends zurück in Meldorf fielen wir in unsere Betten.
Am Dienstag haben wir dann die Vandalismusschäden im Hide beseitigt. Leider mussten wir feststellen, dass weitere Schäden hinzugekommen sind. In eine(undichte) Wathose gepackt, durchkämmt Jelisa das Kronenloch. Leider konnten nicht alle Fensterklappen gefunden werden… Danach ging es der Monstertomate etwas an den Kragen. Sie wächst seit BFD-Generationen im Wattwurm und misst ungefähr 8m. Da sie für wichtige Behörden zu groß wurde und dem Haus Schaden zufügte, musste sie stark beschnitten werden. Das gefiel der Tomate gar nicht. So ließ sie vorübergehend alle Blätter hängen. Aber mit gut zureden und reichlich Wasser konnte ihr geholfen werden. 
Tomate vorher

Tomate nachher

Abends ging es dann wieder nach SPO, denn dort stieg eine Party, zu der sämtliche Freiwillige aus den verschiedenen Stationen (Sylt, Amrum, Föhr, Friedrichskoog, Westerhever,…) angereist sind. Die „Freiwilligen am Meer“ sind schon ein besonderer Haufen und kommen auf sehr verrückte Ideen. Da bekommen Haushaltsgeräte Namen, man liefert sich Wettstreits um Gegenstände (Löffel, Stempel, „Manni“,…), probiert Dinge aus, die man vielleicht später bereut und bekehrt sich gegenseitig.
Nachts um drei lag ich dann wieder in meinem Bett.
Und dann kam auch schon mein letzter Tag im Wattwurm. Morgens haben wir den Bohlenweg absperren müssen, da die feuchte Witterung eine Benutzung im Winterhalbjahr unmöglich und gefährlich macht. Später ging es dann noch eine Runde ins Watt. Habe ich so auch noch nicht erlebt. Meine Gummistiefel haben sich so sehr ins Watt verliebt, dass sie gerne dort bleiben wollten. Dagegen hatte ich aber was. Ich kam nur sehr mühsam vorwärts, immer wieder steckte ich fest. Irgendwann, als der Schlick mir bis zur Kniekehle stand, beschloss ich, barfuß weiterzulaufen. Die Stiefel haben wir natürlich befreit und mitgenommen. Barfuß im Watt bei widrigen Wetterverhältnissen. Bloß bewegen, damit die Zehen durchblutet werden…
Warum auch immer, hatte sich das Watt gegen uns verschrien. Denn wir bekamen keine Tiere zu sehen, die wir suchten.
Watt 'n' Watt




Abends bin ich dann wieder zurück nach Hattingen gefahren. Leider eine Rückfahrt mit vielen Autobahnsperrungen und Stau, so dass ich erst um Mitternacht angekommen bin.

Was bleibt von der Woche? Sehr viel Spaß mit meinem Bruder. Gemeinsame tolle Erlebnisse mit und in der Natur. Entschleunigung. Weiter-sehen. Das hier und jetzt ist wichtig, nicht das, was vielleicht, morgen, übermorgen oder in ein paar Wochen ist.
Auf jeden Fall eine Reise wert und wenn ich darf, im Frühjahr beim nächsten Vogelzug gerne wieder.

"Die Natur muss gefühlt werden; wer sie nur sieht und abstrahiert, kann Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird die Natur beschreiben, ihr aber selbst ewig fremd bleiben." Dies schrieb Alexander von Humboldt 1810 an Johann Wolfgang von Goethe. Wie Recht er doch hatte. Heute trifft diese Aussage mehr zu als damals!

Kommentare

Doro hat gesagt…
Sehr toller Post! Vor allem der Titel ist Programm...freu mich sehr,dass du so viel Tolles erlebt hast und so schön „ atmen“ konntest!
Daniel hat einfach das Bufdimegalos gezogen,mit dem Wattwurm! Das meint Doro,die auf den Bildern leider immer noch keine Seeadler erkennt…

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