Strudelsurfen

Regen prasselt gegen das Fenster. Wind drückt gegen die Tür. Man hört es heulen und man sieht, wie das Wasser hinab fließt. Nebenan spielt jemand Gitarre. Es klingt leise in mein Ohr. Ich sitze in meinem Zimmer und lasse die letzen Wochen Revue passieren.
Seit sechs Wochen bin ich also schon hier. Sechs Wochen, die so schnell vorüber gegangen. Wenn ich mich an die erste Woche zurückerinnere, kommt es mir aber auch ewig lang vor, weil man jeden Tag hier etwas erlebt.
Ich denke, man kann das Ganze mit einem riesigen Wasserstrudel vergleichen. Am Anfang, als ich hier auf Bewerbung war, hat man alles so ein bisschen kennengelernt. Da hatte man noch keine Ahnung, dass man hier mal für ein Jahr leben sollte. Alles fühlte sich so fremd an. Man hat den Strudel noch gar nicht bemerkt und steckte irgendwie schon drin. Und dann nahm er Fahrt auf. Ganz langsam aber stetig. Die Zusage kam. Schön. Gut. Dann ist man halt in ein paar Monaten weg. Aber das ist doch noch ewig hin. In der letzten Woche, die ich im geliebten Ruhrgebiet verbracht habe, habe ich angefangen zu realisieren, dass ich manche Wege für eine lange Zeit das letzte Mal gelaufen bin. Meine Freunde waren schon ganz schmerzerfüllt, als sie an meinen Abschied gedacht haben und ich sagte:" Jungs, es ist doch noch eine Woche. Und überhaupt, erstmal ist der Abiball." Ich wollte nicht wirklich wahr haben, dass ich schon im Strudel steckte. Dass er bald Fahrt aufnehmen würde.
Der Abiball kam und selbst in der Nacht fühlte es sich nicht reell an, dass ich am kommenden Tag weg sein würde.
Abschied. Tränen. Versprechen. Im Zug habe ich die Hilfe eines etwas stärkeren Mannes gebraucht, weil ich mit meinem Backpacker und dem Koffer etwas überfordert war.
 "Was hasse denn dadrinne, Junge?"
~ "Och ich zieh nur um."
Der Satz fühlte sich unwirklich an. Aber es stimmte ja trotzdem.
Mein Bewusstsein hat sich hier oben schon geändert. Beim ersten Einkauf habe ich ich direkt etwas "Ärger" bekommen, als ich beliebig nach den Grapefruits und den Joghurtbechern griff. "Woher kommen die denn?" "Das ist aber viel Plastik."
"Oh mann... was so ein Jahr mit einem anstellen kann... So werd ich bestimmt nicht", dachte ich.
Sechs Wochen später muss ich sagen, dass ich wohl falsch.. Und das ist gut so. Durch das Leben hier und den Einfluss meiner beiden Vorgängerinnen habe ich die Augen geöffnet bekommen. Bis dato dachte ich immer, ich wäre schon Öko genug...^^
Der Strudel macht also etwas mit mir. Ich beginne zu realisieren, was gerade so beginnt.
Und heute? Heute war ich im Garten und musste daran denken, wie ich bei der Bewerbung haushoch bei Wizard und Uno im Garten verloren habe. Heute grabe ich ihn um. Mir wäre es da nie in den Sinn gekommen, dass ich mal da ein Beet hinsetze, hier einen Baum pflanze und dahinten die Feuerstelle einrichte. Ich bin im Strudel bei voller Geschwindigkeit.

In so einem Strudel kann man gefangen sein. Man kann aber auch auf ihm surfen. Ich habe mich für das Zweite entschieden. Ich freue mich darauf, was mich so die nächsten elfeinhalb Monate begegnet. Auf die Erfahrungen, die mir dann keiner nehmen kann. Bestimmt auch auf den Stolz, mit den ich meine Eltern erfüllen möchte.

Geht nicht unter!

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