Tiefsinnige Gedanken

Am Freitag war am Vormittag 1. Hilfe angesagt. Nicht etwa, weil sich jemand verletzt hätte, sondern um praktische Hilfe zu üben. Wir haben dabei eine sehr realistische Situation dargestellt und ich musste mit Florian als erstes die Helfer "spielen".

"Wer von euch hat schon ein Tier getötet?"
Drei, vier Finger gehen schnell nach oben. Zögern am anderen Ende des Tisches. Die Einsicht bei allen, dass eine Mücke auch ein Tier ist. Alle melden sich.
Darf man einen Vogel töten? Welche Situation würde es rechtfertigen? Ist der Mensch dazu berechtigt?
Diese Fragen Beschäftigten uns am Nachmittag, als der Umgang mit verletzten Tieren das Thema war. Im folgenden Text werdet ihr einen tiefen Einblick in meine Gedankenwelt während diesem Gesprächs zu sehen bekommen.
Wann dürfen Menschen Tiere töten? So hieß die zweite Frage. Zur Jagd, bei Bedrohung... und zur Erlösung. Ein Tier darf sich - nachdem es mehrere tausende Kilometer geflogen ist - zur Ruhe setzen und in Frieden auf den Tod warten. Was aber, wenn der Vogel durch menschlichen Einfluss keine Chance mehr auf ein gesundes Leben hat? Bei gebrochenen Flügel oder kaputten Schnabel ist die Nahrungssuche und -aufnahme entscheidend gestört. Der Vogel wird verhungern. Und er hat den Tod nicht 'verdient'. Bei menschlichen Einfluss hat es eben nichts mit natürlicher Auslese zu tun.
Als uns das gesagt wurde, begann ich immer besser nachvollziehen zu können, was wir für ein Dilemma anrichten können. Wie können es anrichten aber dürfen wir es beenden? Für den Vogel hofft man, dass er erlöst wird. Da kommt dann aber nur ein schneller Tod durch einen Beutegreifer oder durch die Hand des Menschens in Frage. Option 1 ist äußerst unwahrscheinlich. Option 2 bleibt.
In meinem Kopf war zu diesem Zeitpunkt klar, dass so ein Vogel am sterben darf.

Wenn ein Vogel einen Menschen auf einen oder zwei Meter heranlässt, ist sein Lebenswillen bereits so schwach, dass ihm nichts mehr am Leben hält. Rennt er aber weg oder versucht weg zu fliegen, ist noch irgendwas in ihm, dass ihm am Leben hält.
Es wird gesagt, dass wir jetzt rausgehen. Ich hätte gerne 5 Minuten gehabt, um diesen Schritt zu wagen. Mir blieb nichts anderes über als direkt hinterherzugehen.
Ich schaue in die Runde. Jemand hält seine Hände vor das Gesicht. Ich gucke auf den Boden. Das Ganze geht mir zu Herzen. Hier ein Schluchzen. Dort ein Weinen. Niemanden lässt das hier kalt.
Uns wird nämlich gezeigt, wie man einen Vogel erlöst. Selbstverständlich an zwei bereits toten Vögeln. Aber das macht nichts. Wenn selbst das mir so nah kommt, wie sollte ich dann einen lebenden Vogel töten?
Das Geräusch, das ich wohl nicht mehr vergessen werde, ist kaum zu beschreiben. Ein "Pfft". Ich schaue wieder in die Runde. Die Anzahl derer, die weinen, hat sich erhöht. Andere haben weggeguckt, als dem Knutt der Kopf abgerissen wurde.
"Keiner muss das im Ernstfall tun."
Die Stimmung ist bedrückt. Wir gehen auf unsere Zimmer. Unerhalten uns. "Alles gut, Daniel?", werde ich bemitleidend gefragt. Die Lüge geht mir erstaunlich einfach über die Lippen. "Ja".

Sicherlich kennt ihr all diese Videos aus den Legebatterien, bei denen Vegetarier versuchen, Fleischessern ins Gewissen und Bewusstsein zu reden. Diese Videos sind nichts, aber auch gar nichts gegen dieses Gespräch. Ich bin dankbar. Dankbar dafür, dass ich jedes Leben eines Lebewesen mehr schätze. Ich erinnere mich zurück.
"Vögel dürfen erlöst werden, sofern sie durch den Menschen leiden. Dann haben sie einen schnellen Tod verdient."
Was bringt mir aber diese Einsicht, ohne mir sicher zu sein, dass ich sie erlösen kann? Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde.



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